Die Rasierklinge fühlte sich so kalt und glatt an, wie
immer. Ihr Blut dagegen war warm und beruhigend. Carly hatte erwartet, dass es bei diesem endgültig letzten Mal dramatischer werden würde, doch wie stets war sie ruhig und gleichmütig. Das Badewasser um sie herum färbte sich allmählich dunkler, und sie seuftzte.
Dieses Mal würde es gut gehen.
Das Blut gab Carly das Gefühl, dass sie wirklich da und lebendig war. Aber heute würde der letzte Tag sein, an dem sie sich davon überzeugen musste. So wie Carly es von ihren früheren Abläufen gewohnt war, wechselte sich die Perpektive und sie beobachtete sich nun von einem Punkt irgendwo dicht unter der Zimmerdecke selbst. Tief im Inneren tat ihr das Mädchen in der Badewanne leid, dessen Gesicht von Seifenschaum, Tränen und Blut benetzt war. Sie schrie nicht. Sie hatte nie geschrien. Sie betrachtete die Narben und die Schatten, die die einst so makellose Haut verunstalteten. Und sie sah, wie das Weiß ihrer eigenen Augen unter den schweren Lidern hervortrat. Sie beobachtete, wie ihr das Atmen schwerer fiel und wie sie langsam mit Mund und Nase ins warme Nass sank.
Ihr ganzes Dasein löste sich im Wasserdampf auf. Durch diesen hindurch sah Carly, wie ihre Mutter ins Bad gestürmt kam und sich mit dem Körper in der Wanne abmühte. Es war irgendwie ein trauriges Bild, doch über ihren Augen lag nun ein sepia-farbender Film, der die Farben in der Szene dort unten durchscheinend werden ließ. Sie entglitt ihrer Mutter einmal, dann ein zweites Mal.
Die Narben an Carly's Armen und Beinen wirkten blasser als sonst. Vielleicht hatte das Blutbad die endlich abgewaschen. Carly's Mutter schaute nach oben, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet, einen flehenden Ausdruck in den Augen. Carly betrachtete sie und empfand Sorge, als sie erkannte, wie sehr ihre Mutter litt.
Aber es gab nichts, was sie dagegen hätte tun können.
Endlich war die Zeit gekommen, um zu gehen ...
Over and Out.
Dienstag, 13. April 2010
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